Startseite > Berichte >Ereignisse in Grangor

Die Ereignisse in Grangor



Am vierten Rahja 24 Hal verließen wir in dem kleinen Örtchen Nervik die "Schmetterlingswelle" und wollten uns zu Fuß nach Grangor machen. Es sollte ein Weg von weniger als zwei Fußstunden sein. Auch Abelmir von Marvinko verließ das Schiff, hielt sich eine kleine Maske vor sein Gesicht, lächelte uns an und zog mit seinem Gefolge los.
Das Maskenfest ! Wir hatten keine entsprechende Gewandung ! Wollten wir in Grangor unerkannt bleiben, mussten Masken und Verkleidungen her. Immerhin stand zu befürchten, dass sich Travian und sein Pack in der Stadt aufhielten und auf uns warteten. Glücklicherweise hatte sich die nerviker Schneiderin auf das Maskentreiben eingestellt. Thogrim, der in seiner dickköpfigen Art jegliche Verkleidung ablehnte -als was soll man einen Zwerg auch ohne ihn zu rasieren verkleiden ?- , machte sich bereits auf den Weg. Wir wollten uns spätestens am 8 Rahja zur Mittagsstunde am Rahjatempel treffen. Doch wir anderen entwickelten eine große Freude daran, uns Kostüme auszudenken: Gulmartock schlüpfte aus seiner schwarzen Robe in ein ranziges Piratenkostüm, sein Rubinauge weiterhin unter einer Augenklappe verdeckt haltend. Alanna zog ihr in Brabak erworbenes Kleid an, einen großen Hut dazu und einen leichten Umhang. Sadonos tat wie immer geheimnisvoll und wollte seine Kostümierung nicht verraten. Lian verkleidete sich als südländischer... , ja was eigentlich ? Ich ließ mir ein enges Gewand in Schlangenmuster fertigen, an dessen Kapuze Giftzähne aus Stoff hingen, das Gesicht wurde durch ein dünnes, grünes Tuch verhüllt. Natürlich zog ich diese Maskerade noch nicht auf dem Weg an. Neidlos muss ich gestehen, dass die beste Verkleidung -ich hatte es nicht anders erwartet- von Sanfir kam. Er hatte sich mit Perücken, Schminke und Kleidung wahrhaft in ein Ebenbild von Tarlisin von Borbra verwandelt, dem Sprecher des ODL.
Mit unseren neuen Errungenschaften machten wir uns auf den Weg. Mit uns zog ziemlich viel gemeines Volk und einige von uns versuchten sich während dieses Weges erfolglos in belangloser Konversation. Nach weniger als zwei Stunden sahen wir Grangor, die Stadt der 100 Kanäle. Ich klärte die anderen ein wenig über die Stadt und ihre Geschichte auf: Die Küstenstadt Grangor ist über vierhundert Jahre alt und ist auf vier Inseln angelegt. Die Stadt selbst wird von vielen kleinen Kanälen durchzogen und es gibt Orte, die wahrlich nur per Gondel -einem kleinen gestaakten Kahn- zu erreichen sind. Grangor ist aber auch für seine Architektur berühmt: Viele prachtvolle weiße Häuser der unzähligen wohlhabenden Kaufleute schmücken das Stadtbild und zum Maskenfest, das seinen Ursprung eigentlich in der Grangorer Warenschau hat, sind alle Häuser mit Girlanden, Wimpeln und Lampions geschmückt. Dieser Reichtum kommt natürlich nicht von ungefähr! Das Sprichwort "fleißig wie ein Grangorer" dürfte überall auf Dere ein Begriff sein.
Während ich all diese Dinge erzählte, erreichten wir den ersten Kanal. Wollten wir die Stadt betreten, mussten wir mit einem Fährkahn übersetzen. Doch da scheinbar halb Aventurien dieselbe Idee hatte, mussten wir beinahe 3 Stunden in dichtem Gedränge warten, bis wir auf den Kahn kamen.
Doch kaum waren wir auf die Festlandfähre gedrängt worden -natürlich mussten wir auch noch 18 Heller zahlen- und standen wie Ölporte Ölsardinen auf dem schwankenden Kahn, als ein schriller Schrei die lustige Stimmung zerriss. Ich schaute mich schnell um und sah einen Jungen, der scheinbar vom Steg in den Kanal gefallen war. Er paddelte und strampelte um sein Leben. Thogrim und Alanna versuchten bereits, ihn mit einem Paddel an Land zu ziehen, doch der Junge war zu panisch und ging immer wieder unter. Hunderte von Schaulustigen mussten das Geschehen wohl interessiert verfolgt haben, als ich mich ins Wasser stürzte. Geschickte entledigte ich mich unter Wasser meiner Robe um nicht behindert zu werden und schwamm auf den Jungen zu. Es gelang mir im zweiten Versuch ihn zu packen und an den Kahn zu ziehen, wo Alanna und Thogrim ihn an Bord zogen.
Überglücklich schlossen ihn seine Eltern in die Arme und fingen dann an, sich überschwenglich bei mir zu bedanken. Es war des guten fast etwas zu viel ! Sie stellten sich als Growin und Neliane Hafflenbecher vor, eine Grangorer Händlerfamilie, die uns, also mich und auch Alanna und Thogrim, als Dank während der Festlichkeiten bei uns wohnen lassen wollte. Welch glücklicher Umstand, hatten wir doch noch keine Herberge und wussten auch, dass dieser Tage Unterkünfte rar waren.
Doch leider wurde daraus nichts. Nachdem wir das Grangorer Stadttor passiert hatten und per Gondel zu ihrer dreistöckigen Stadtvilla geschifft wurden, teilte uns Growin Hafflenbecher, der Vater von Growin Hafflenbecher mit, dass sich bereits andere hohe Gäste angekündigt hätten und deshalb kein Platz für uns sein. Da es aber zum Maskentreiben kaum einen freien Platz in Grangor gibt, setzte er uns ein Empfehlungsschreiben auf, das Umya Calderon, die Wirtin des Gasthauses "Zum blauen Phaecadi" anwies, uns zu beherbergen. Wir selbst wurden außerdem eingeladen, am Abend bei dem großen Bankett der Handwerks- und Kaufmannsgilde als seine Gäste zu erscheinen. Als Belohnung für die Errettung seines Sohnes, der im übrigen origneller Weise wie sein Vater und Großvater auch Growin heißt, wollte er ein jeden von uns noch mit zwanzig Dukaten belohnen. Natürlich lehnte ich ab, erinnerte ihn aber daran, dass ich seinem Sohn das Leben rettete und ihn deshalb eines Tages vielleicht um einen Gefallen bitten werde. Er sagte mir das zu.
Nach der Verabschiedung begaben wir uns zum "Zum blauen Phecadi". Auf dem Weg dorthin wurden wir zufällig Zeuge, wie eine blutüberströmte Leiche aus einem Haus getragen wurde. Einige Nachfragen ergaben, dass es sich um den Adjütanten der Stadt, Herrn Burkenbaum handelte. Das glotzende Volk stellt sofort die wildesten Hypothesen auf: er sein von einer Leiter gefallen; ein Rachemord einer Gilde sei es gewesen; der schwarze Brecker, eine Größe der grangorer Unterwelt wäre es gewesen oder die "blutige Krimhelde Vanderzee", eine Dame die vor zwanzig Jahren ermordet worden war, würde wieder ihr Unwesen treiben. Natürlich wird nichts davon wahr sein, merkenswert ist aber etwas, was ich nur in einem Nebensatz aufgeschnappt hatte: Diese Frau Vanderzeh floh damals aus Grangor, nachdem ihr Sohn wegen einer unbekannten Sache angeklagt worden war. Unterschlupf fand sie angeblich bei einem Druiden in Havena ! Vielleicht sollte ich das im Hinterkopf behalten.
Schließlich erreichten wir unsere Unterkunft und konnten, nachdem die Vormieter von der Wirtin höflich hinausgeworfen wurden, unser Zimmer beziehen. Sanfir, Lian, Thogrim und Gulmartock fingen kleine Bändelein mit unserer Zimmernachbarin Elvinje di Scaro, eine mittelständischen Händlerin an, während ich mich für das Bankett vorbereitete.
Dieses war die prachtvollste Schlemmerei, die ich je erlebt habe. Austern und Ochsen, Pasteten und Küchlein und weitere Köstlichkeiten aller Art wurden serviert, bis ich kaum mehr in der Lange war, alleine aufzustehen. Während wir gespannt auf die Rede des Füsten warteten, entstand eine Unruhe: Toliban Salfridjes, ein Magistratsmitglied und zufälligerweise Vater eines Jungen namens Fredo Salfridjes, mit dem Gulmartock Minuten vorher ein Gespräch begonnen hatte, war in seinem Haus ermordet aufgefunden worden. Die Tafel wurde nach einigen Schweigeminuten aufgelöst, war doch keinem mehr zum feiern zu mute. Während Alanna, Thogrim und ich in unsere Unterkunft zurückkehrten wollten die anderen noch die Suderstadt besuchen, in der sich das gemeine Volk vergnügte.

Binnen eines Tages war bereits das zweite hohe Mitglied der Stadt ermordet worden. Steckte da mehr dahinter ? Aber wir waren nicht hier, um uns um einfache Mordfälle zu kümmern, dafür gibt es die Grangorer Zweililienwache. Wir wollten morgen in aller Frühe zum Rahjatempel, um dort Einsicht in die Berichte um die Zerschlagung des Namenlosen Zirkels im Jahre 7 Hal zu nehmen. Ein Empfehlungsschreiben Abelmirs sollte uns die Tore öffnen...
Zusammen mit Alanna und Thogrim ging ich auf unser Zimmer und legte mich zur Ruhe. Ich lag im Bett und dachte über die weitere Entwicklung nach. Sollte in Grangor tatsächlich noch ein Namenloser Zirkel sein Unwesen treiben, egal ob mit oder ohne Travian, wird vermutlich unsere Gruppe alleine nicht ausreichen, um ihn "aufzulösen". In Gedanken ging ich mögliche Verbündete durch, von Privatpersonen bis zur Praioskirche, doch zu einem Ergebnis kam ich nicht.
Ein Lied eines Söldners fiel mir wieder ein, dass ich vor Jahren in Walgor in einer Taverne gehört hatte: "Wir bringen den Tod" hieß es. Genau so fühle ich mich manchmal, wie ein Söldner einer höheren Macht, der ohne etwas zutun den Tod in seine Umgebung bringt. Und in Grangor scheint es wieder so zu sein...Schnell verscheuchte ich diese Gedanken und bat den Herren Boron um eine ruhige Nacht.
Ich war schon fast eingeschlafen, als ich leise die Stimme von leise Alanna hörte.
Und obwohl Gebete etwas sehr privates sein können, kehrte mein Geist aus dem Traumreich zurück und ich lauschte Alannas nächtlichen Gebeten:

"Mutter Travia, ich bitte Dich, schütze meine Familie und vergib mir, daß ich nicht bei ihnen bin. Du kennst den Grund. Wenn wir versagen, werden viele Familien ohne Vater oder Mutter sein. Ich kämpfe für die Götter wider dem Bösen."
"Herr Praios, ich habe gesündigt. Ich war nicht ehrlich gegenüber dem freundlichen Handelsherrn. Zuviel habe ich falsch Zeugnis gegeben in meinem Leben."
"Herrin Rondra, diese Taten sind einer Ritterin nicht würdig und ich schäme mich ihrer. Oh, große Leuin, ist das die Lehre, die ich ziehen soll? Nicht den Entscheidungen Höhergestellter zuwider zu handeln? Doch ich bereue nicht, Strahlende, wie könnte ich? Denn ich sehe die Prüfungen die waren und die sind und die mich gelehrt haben, daß du mein einziger Richter sein kannst. Hilf mir das zu verstehen und zeige mir Deinen Willen, Donnernde, wie es dereinst war, denn ich befürchte, ich könnte den Weg verlieren, der mich schließlich zu Dir führen wird. Zu erkennen, wie ich Deinen Gesetzen folgen kann und dennoch diese gewaltige Aufgabe zu erfüllen, die Du mir gegeben hast. Ich hoffe, daß ich Dein Vertrauen nicht enttäusche, denn zuweilen fühle ich mich so fürchterlich schwach. Bist Du noch bei mir, Göttin? Ich bin bei Dir, Göttin."

Es folgte eine längere Stille. Dann sprach sie mich an, ob ich wach wäre. Ich lud Alanna ein, sich zu mir zu setzten, sie schien Trost gebrauchen zu können. Wer von uns brauch ihn in diese Tagen nicht ?
Und während Thogrims gleichmäßiges Schnarchen an mein Ohr drang, erzählten wir uns von der Vergangenheit und Familie, Ängsten und Hoffnungen, Liebe und Haß. Ich glaube, dass meine Worte sie etwas zuversichtlicher machten.



5 Rahja 24 Hal [Spielabend vom 08.08.2003]

Als die ersten Strahlen der Sonne in unser Zimmer fielen, erwachte ich aus einem traumlosen, aber erholsamen Schlaf.
Irgendwann in der Nacht musste Sanfir, Lian und Gulmartock wieder zurückgekehrt sein, sie lagen in ihren Betten und schliefen fest. Leise weckte ich Alanna und Thogrim. Wir bekleideten uns und nachdem Alanna den anderen noch eine Notiz geschrieben hatte was wir vorhatten, verließen wir nach einem kleinen Frühstück unser Gasthaus.
Unser Ziel war der Rahjatempel. Unser Weg führte uns weg von den prachtvollen Bauten der Händler, die Straßen wurden enger und schmutziger, die Häuser älter, einfacher und verfallener. Wir waren in der Grangorer Neustadt. Es ist erstaunlich, wie dicht Pracht und Zerfall bei einander liegen können. Doch inmitten dieses Schmutzes stand auf einem Platz der Rahjatempel: Ein großes, prachtvolles, rosa getünchtes Haus mit weit geöffneten Türen aus rotem Olivenholz, das in seiner von innen kommen Pracht das Elend seiner Umgebung überblendete.
Alanna und Thogrim zogen es vor, vor dem Tempel zu warten. Ich betrat den Vorraum; ein Hauch von Rosenduft umwehte mich und ich ließ meinen Blick über das Innere des Tempels schweifen, als eine junge Novizin auf mich zukam. Ich gab ihr das Empfehlungsschreiben Abelmir von Arvinkos und bat um eine Unterredung mit dem Tempelvorsteher. Mir wurde mitgeteilt, dass sich die Tempelvorsteherin zur Isora zur Zeit in Belhanka aufhielt, wo die Ernennung der Geliebten der Göttin stattfand. Wie hatte ich vergessen können, dass gerade das "Fest der Freuden" abgehalten wurde !?
Ich wurde um etwas Geduld gebeten, und schon wenige Augenblicke später trat ein Geweihter der Rahja auf mich zu. Er stellte sich als der stellvertretende Tempelvorsteher Phalinor vor. Ich war sofort von seinen leuchtenden grünen Augen und seiner sanften Stimme gefangen, und als er mich zu einem entspannenden Bad einlud, konnte ich nicht widerstehen. Dere würde schon nicht in den nächsten Stunden untergehen. Er führte mich zu einer Marmorwanne. Er half mir aus meinem Gewand und ich ließ mich ins warme Wasser gleiten. Er stieg zu mir in die Wanne. Zwei zärtliche Hände massierten meinen Rücken und verscheuchten die Last der letzen Monate. Ich fühlte mich entspannt, ruhig und doch aufgeregt. Wie lange hatte ich dieses Gefühl missen müssen ? Ich versank förmlich in Phalinor, mein Körper schrie nach ihm. Und ich bekam ihn.
Ich konnte nicht genau sagen, wie lange wir uns geliebt hatten, doch langsam verflog der Rausch. Unendlich erleichtert und mit frohem Herzen verließen wir die Wanne und hüllten uns in Tücher. So schön die Zeit im Rahjatempel bisher auch gewesen war, ich musste über den eigentlichen Grund meines Besuchs reden. Im nachhinein bin ich froh, dass ich das erst hinterher tat, denn was ich von Phalinor erfuhr, war zu unglaublich und furchtbar, als dass ich es irgendwann noch einmal verdrängen könnte:
Vor 17 Jahren wurde die damalige Tempelvorsteherin Letitia von Berlen tot im Tempel aufgefunden. Es stellte sich heraus, dass sie nicht eine Geweihte der Rahja war, sondern eine Hochgeweihte des Namenlosen, und der Tempel war ihre Hauptwirkungsstelle ! Ihre überaus große Macht soll auf einem Haar basiert haben, das dem Namenlosen selbst stammte ! Laut den Aufzeichnungen wollten HESinde und ihre elf Geschwister einen derartiger Frevel nicht hinnehmen und beschlossen, Grangor zu vernichten. Doch die Herrin Rahja selbst erschien in dem Tempel, richtet Letitia von Berlen und vernichtete das Haar des Namenlosen.
In der darauffolgenden Nacht hatte die Bewohner der Stadt wirre Träume von Tod, Vernichtung und Zerstörung und niemand weiß, was damals wirklich geschah. Der Boroni der Stadt aber blieb 11 Tage ohne Ruhe, um 167 Träume niederzuschreiben.
Ich habe Phalinor gebeten, in die Archive des Tempels Einblick nehmen zu dürfen, und er sagt mir das nach dem Ende der Festlichkeiten zu. Und noch etwas fand ich heraus: Letitia von Berlen hatte einen Sohn, der Travian hieß ! Langsam beginnt sich der Kreis zu schließen. Ich vermute, dass Travian die dunklen Machenschaften seiner Mutter weiterführt und versucht, hier in Grangor den alten Zirkel wieder aufleben zu lassen.
Ich verließ den Tempel und ging mit Alanna und Thogrim zurück zu unserer Herberge. Während mich Alanna den ganzen Weg über anlächelte, funkelte Thogrim mich wütend an. Wie lange hatte ich die beiden wohl warten lassen ? In unserem Zimmer angekommen, fanden wir die anderen beim Frühstück vor. Sie waren wohl erst spät zurückgekehrt. Als ich von den Ergebnissen meiner Untersuchungen berichtete, machte sich Fassungslosigkeit breit. Mit solch einer unglaublichen Geschichte hatte niemand gerechnet. Insgeheim frage ich mich allerdings doch, ob wir nach dem TSA-Tempel in Dragenfeld und dem Praioskloster in Arras de Mott nicht hätten darauf kommen können ?! Das Böse scheint immer da zuzuschlagen, wo man es am wenigsten vermutet.
Nach meinen Bericht erzählte Sanfir vom gestrigen abend. Es hatte einen weiteren Mord gegeben: In der Suderstadt war der Schneidermeister Gelbherdt ermordet worden. Seine Magd hatte ihn gefunden. Gulmartock hatte die Leiche untersucht und festgestellt, dass ihr der Hals von Klauen aufgerissen war. Der Kehlkopf war herausgerissen und das Herz fehlte. Was für eine Wesen mag zu solch einer Tat fähig sein ? Weitere Untersuchungen ergaben, dass sich an dem Opfer magische Restspuren befanden. Was immer Gulmartock auch genau damit meinte, es ist kein normaler Täter...Folgende Dinge sollten wir noch im Hinterkopf behalten: Als Snafir, Lian und Gulmartock zum Tatort kamen, schrie jemand "Verflucht sei der grüne Mond". Was das genau heißen mag, entzieht sich unserer Kenntniss. Die Befragung der Passanten und der anwesenden Stadtwache ergab, das es noch weitere Morde gab. Doch dazu sollten wir später mehr erfahren.
Wiedereinmal wurde Pläne geschmiedet, verworfen und neu geschmiedet. Zusammen mit Alanna und Gulmartock wollte ich zuerst die Hallinbechers um Unterstützung bitten und anschließend die Stadtwache besuchen. Zumindest den Besuch hättem wir nicht machen brauchen. Familie Hafflinbecher hatte sich auf der Wiese vor ihrem Anwesen zu einem großen Essen getroffen. Growin, Vater und Sohn der anderen beiden Growins zeigt zwar höfliches Interesse, zeigte sich aber ansonsten nicht kooperativ. Allerdings verhielt sich Gulmartock erneut so diplomatisch wie eine Brabaker Sumpfrantze, so dass ich versucht war, ihn vor allen Anwesenden in den Kanälen zu versenken...Die Herrn möge mir mehr Gelassenheit im Umgang mit dieser Person geben ! Doch es hat den Anschein, als würden auch andere Personen meine Einschätzung von Gulmartock teilen, denn wenige Minuten, nachdem wir bei Geriol von Lascena, dem Kommandanten der Grangorer Stadtwache vorstellig geworden waren, wurde Gulmartock auch schon des Raumes verwiesen. Der Kommandant selbst, ein etwas weichlicher Vertreter seines Standes, zeigt sich zunächst wenig kooperativ und sah in uns ehr Glücksritter, die nach Geld und Ruhm auswaren. Doch mit der Zeit konnten wir ihm nach und nach einige Informationen entlocken, die zusammen mit denen von Sanfir folgendes Bild ergeben:
Seit einigen Wochen gibt es bizarre Morde, die an Brutalität ständig zunehmen und in der Ermordung des Schneiders ihr derzeitig letztes Opfer haben. Die Opfer sind: Unklar ist, warum die Morde geschehen und wer sie verübt. Ist es ein Ritual ? Werden 13 Opfer benötigt ? Versucht vielleicht jemand, die damaligen Überlebenden der Berleaner zu vernichten oder sich an ihnen zu rächen ?
Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf als wir uns mit den anderen trafen. Lian hatte erfahren, dass seine Freundin vor 9 Monaten hier in Grangor war und bei ihrer Ankunft mit drei Xen unterzeichnet hatte. Sie konnte also nicht schreiben, und somit war der Brief, den Lian erhalten hatte und der ihn nach Grangor lockte, eine Fälschung. Stammte der Brief von Travian ? So unwahrscheinlich war das garnicht, denn Sanfir kam mit der nächsten Überraschung: Travian war vor 3 Tagen in Grangor gesehen worden, und scheinbar wollte er, dass wir dies wissen. Er hatte den Hafenwart bezahlt, damit er sich erinnere. Was im Namen der Zwölfe hat er vor ?
Auf jeden Fall schien uns die Zeit davon zu laufen. Ich machte mich sofort mit Sadonos auf den Weg, um Phalinor zu bitten, schon heute Einsicht in die Unterlagen nehmen zu dürfen. Auch er war über das Auftauchen Travians beunruhigt und während wir in einer kleinen Kammer warteten, wollte er die Dokumente holen...
Nach nur wenigen Minuten war er wieder da, den Arm voll mit Schriftrollen. Er gab uns einen Krug Wein und ließ uns alleine. Nach mehreren Stunden konnten wir die Ereignisse einigermaßen zusammenfassen: Grangor war tatsächlich vor siebzehn Jahren zerstört worden. Das damalige Wirken des Namenlosen erzürnte die Götter so, dass sie die Stadt vernichteten. Doch RAHja, die Mitleid mit den Menschen hatte, wollte sie retten und schloss einen Pakt mit Satinav. So erhielt sie einen Tag Zeit, das Geschehene ungeschehen zu machen. In Form einer wunderschönen Frau erschien sie einer Gruppe Abenteurer und betraute sie mit dieser Aufgabe. Über die Namen ist leider nichts bekannt, nur der Name von Raidri Conchobair wurde erwähnt. Diese Gruppe schaffte es mittels eines Artefaktes, dass die Form einer Laterne hatte, das Versteck von Letitia von Berlen ausfindig zu machen. Sie töten sie und verbrannten das Haar des Namenlosen, woraufhin seine Macht wich und die Menschen in Grangor wieder ihren eigenen Willen hatten.
Wir kehrten zu der Herberge zurück. Während wir in den Schriften gestöbert hatten, war es Lian und Sanfir gelungen, Kontakt zu der Unterwelt herzustellen. Dort war man sich sicher, dass keiner von ihnen der Mörder sei, wäre aber erfreut, wenn er gefasst würde. Auch Travian war dort bekannt. Safir versprach ein Kopfgeld von 100 Dukaten, sollte er gefasst werden.
. Auf ihrem Rückweg waren sie Zeuge eines neuen Mordes geworden. Und wieder fand Gulmartock Hinweise auf dämonisches Wirken. Wir beschlossen, dem Wesen eine Falle zu stellen: Nachts sollte Alanna als Lockvogel an den Kanälen stehen, innerhalb eines Bannkreises. Sobald sie von der Kreatur entdeckt würde, sollte sie aus dem Kreis springen und das Wesen darin gefangen sein. Das war der Plan. Und da er maßgeblich von Gulmartock und seinen Künsten abhängig war, hätte ich ahnen müssen, dass er nicht funktionieren würde.
Wir versteckten uns in der Nähe und mussten nicht lange warten. In einer unwirklichen, schnellen Bewegung tauchte eine Kreatur mit leuchtend roten Augen auf und glitt auf Alanna zu. Eine große Trägheit ergriff Besitz von uns und wir vermochten kaum, etwas zu unternehmen. Und doch geschah unserer Kriegerin nichts! Das Wesen sprach uns an. Sanfir verwickelte es in seiner unnachahmlichen Weise in ein Gespräch. Wir fanden heraus, dass es sich Lucianus nannte und tatsächlich ein Vampir. Doch er wäre nicht verantwortlich für die jüngsten Morde, da er seinen Frieden mit den Göttern gemacht habe. Das Wesen, dass hier umging sei ungleich mächtiger und seine Macht nähme jeden Tag zu. Es würde nurnoch zwei Nächte dauern, und es wäre nicht mehr aufzuhalten. Er bot uns seine Hilfe an, die Hilfe einer -wie er sich ausdrückte- "giftigen Blume". Dann verschwand er, und mit ihm unsere Benommenheit.
Es dauerte einige Zeit, bis wir uns von dem Erlebten erholt hatten. Wir machten uns auf den Rückweg zu unserer Herberge. Bereits auf dem Weg berieten wir über das weitere Vorgehen. Ich wollte am nächsten Tag herausfinden, ob Abelmir von Marvinko noch in der Stadt sei. Er würde uns vielleicht helfen können. Sanfir und Lian wollten sich sofort mit dem "Lumpenpack" treffen. Doch es kam ganz anders. Kurz bevor wir den Marktplatz erreichten, sahen wir eine größere Menschenmenge. Das war verwunderlich, waren doch die Feierlichkeiten um Mitternacht offiziell beendet und wir hatten bestimmt die schon die zweite Stunde ! Wir nährten uns und sahen, wie mehrere Personen in eine Schlägerei verwickelt waren. Eine unwirkliche, aggressive Stimmung lag in der Luft. Erneut fiel uns das kranke grüne Licht des Madamals auf und im meinem Hinterkopf erschall der Satz "Verflucht sei der grüne Mond", den eine Passantin bei dem ersten Mordopfer geschrieen hatte.
Lian und Sanfir beschlossen, ihre Untersuchungen erst morgen fortzusetzen, es schien ihnen zu gefährlich heute Nacht. So gingen wir zurück zum blauen Phecadi. Kaum waren wir dort angekommen, als Gulmartock auch schon wieder los wollte, um eine eventuelle magscieh Beeinflussung der Menschen zu überprüfen. Ich beschloss, ihn vorsichtshalber zu begleiten und auch Alanna schloss sich uns an. Die anderen, inklusive Sadonos, der seiner Sicherheit wegen bei uns übernachten wollte, begaben sich in das Schlafgemach.
Wir waren nur wenige hundert Schritte von unserer Herberge entfernt, als wir in einer Gasse eine weitere aufgebrachte Gruppe sahen. Es waren wohl elf Personen, die randalierend durch die Gasse zogen. Gulmartock wollte sich an ihnen vorbeischleichen, um zum Marktplatz, der seiner Meinung nach die Quelle des Übels sei, zu gelangen. Doch nur wenige Schritte später sahen sie uns und rannten schreiend auf uns zu. Obwohl sie nur Holzlatten oder blanke Fäuste hatte, hätten wir gegen solch eine Übermacht kein Chance gehabt. Ich rannte zum "Blauen Phecadi" zurück, die anderen dicht hinter mir. Kaum hatten wir den Schankraum betreten, verrammelten wir auch schon die Tür. Was draußen geschah, konnte ich nicht sagen. Während Alanna die Wirtin beruhigte, rannte ich die Stufen hinauf um die anderen zu wecken. Sollte die Herberge gestürmt werden, mussten wir bereit sein. Die andern rüsteten sich, während ich schon wieder die Stufen hinabrannte. Dort hatte der Mob versucht, durch die Fenster hineinzugelangen, welche von Alanna, der Wirtin und Gulmartock vernagelt wurden. Etliche Minuten ging das Getobe weiter. Dann wurde es etwas ruhiger. Wir öffneten die Tür und konnten einen der dort liegenden Randalierer hineizerren, bevor wir die Tür wieder sicherten. Gulmartock bestand auf einer magischen Analyse, die allerdings keine Ergebnisse brachte. Mir wurde sofort klar, dass es sich bei solch einem Verhalten nur um Gift handeln konnte, wenn Magie ausschied. Jemand hatte die Brunnen vergiftet ! Da es draußen ruhiger wurde, begaben wir uns zu Bett, nicht jedoch ohne Alanna und Thogrim als Wachen zu benennen. Ich hätte vor wenigen Tagen nicht gedacht, dass man in einer solch nobelen Herberge gezwungen sein würde, seinen Schlaf bewachen zu lassen.



6 Rahja 24 Hal

Nach einem kurzen Frühstück verließen wir die Herberge. Brandgeruch lag in der Luft, als wir zur Stadtwache eilten, um den Aufenthaltsort von Abelmir von Marvinko zu erfahren. Doch wir hatten kein Glück. Der Erzwissensbewahrer hatte die Stadt schon verlassen.
Unser nächstes Ziel war daraufhin das Stadtarchiv. Hier hofften wir, nährers über die "Chroniken von Ilbaran" zu erfahren. Und diesmal sollten wir Glück haben: Im Stadtarchiv war ein älterer Herr gerade dabei, die wichtigen Dokumente und Bücher aus Angst vor Plünderungen und Brandschatzungen in den Keller zu schaffen. Natürlich halfen wir ihm dabei. Nach über einer Stunde waren alle Schriftstücke umgeräumt worden. Und trotz des scheinbaren Chaos fand der Archivar die Chronik sofort ! Ich ließ mir ein Pult aus dem obersten Stockwerk bringen. Und während ich den Duft alter, staubiger Folianten genoß, arbeitete ich mich durch das Jahrhunderte alte Werk. Die mir am wichtigsten erscheinenden Stellen schrieb ich mir ab, um den genauen Wortlaut später nachschlagen zu können. Ich war gerade dabei, meine Erkenntnisse vorzutragen und einige wichtige Stellen zu rezitieren, als ein Stimme im Gewölbe erklang: "Die Herrschaften interessieren sich für die Chroniken von Ilbaran !". Es war ein Geweihter des Herrn Praios, zudem, wie leicht zu erkennen war, im Orden der Bannstrahler. Wie hatte er unbemerkt eintreten können ? Was hatten meine Mitstreiter denn getan, als ich in die Schriften vertieft war ? Wenn wir weiter so nachlässig handeln, könnte es das nächste mal wirklich brezlig werden ! Nun, da er hier war und scheinbar einiges über uns wusste, konnten wir auch direkt das Gespräch auf die wichtigen Themen lenken. Er stellte sich als Talwan von Rutgenstein vor und war jener Praiot, der von uns nach dem letzten Mord als Hilfe gerufen wurde. Im folgenden Gespräch gab er sich erstaunlich zurückhaltend. Durch den beidseitigen Austausch von Informationen konnten wir einige Dinge besser einordnen: Ich will sie kurz nennen:
Erstens: Talwan war einer der Männer, die Daria festgenommen hatte und sie nach Greifenfurt brachten. Wir vermuten allerdings, dass es sich nicht um Daria, sondern um Sindia gehandelt haben könnte, da wir Daria später noch einige Male trafen.
Zweitens: Daria hatte aus dem Nachtschattenturm die Asche von Walmir von Riebeshoff gestohlen.
Drittens: Walmir von Riebeshoff hatte ein Artefakt gestohlen, namentlich einen der dreizehn Kessel der Urkraft. Mit ihm soll es möglich sein, Leben zu erschaffen. Wir vermuten, dass es sich um eben jenen Kessel handelt, der bei Erschaffung von Borbarads Körper vor unseren Augen zerschmolz.
Viertens: Talwan ist sich sicher, dass das Wesen, dass für das Elend in Grangor verantwortlich ist, ein Vamir ist. Diese Vermutung widersprach zunächst unseren Erkenntnissen, sollte sich aber als nicht unrichtig herausstellen. Er verwies uns zusätzlich auf eine Schrift über Vampire, die in der Grangorer Akademie zu finden sei. Abschließend warnte er uns davor, es alleine mit dem Wesen aufzunehmen. Wir vereinbarten, uns gegenseitig zu informieren, sollten wir etwas neues herausfinden. Nachdem uns Talwan verlassen hatte, schickte ich die anderen mit Ausnahme von Alanna zur Akademie, wo sie das erwähnte Schriftstück einsehen sollte. Leider ließ sich Alanna nicht davon abhalten, zu meiner Sicherheit hierzubleiben.
Ich brauchte etwas Zeit für mich, um meine wirren Gedanken zu ordnen: Wir hatten es mit einer unbekannten Macht, dem "Gast" zu tun, ferner mit einem Vampir, der uns angeblich helfen wollte. Auf diese Hilfe konnte ich gerne verzichten. Beim ersten und letzte Mal, da wir die Hilfe solch einer Kreatur angenommen hatten, waren wir in die Niederhöllen gegangen ! Das durfte nicht wieder passieren. Als Erinnerung und Mahnung zog ich wie die Tage zuvor meinen Handschuh aus und schnitt die Narbe wieder auf, die Walmir das Blut gegeben hatte, mit dessen Hilfe er uns in die Niederhöllen geschickt hatte. Sollte ich einer dieser Kreaturen begegnen, werde ich sie ohne zu zögern vernichten. Ihre Worte sind noch gefährlicher als ihre Zähne und Klauen ! Der Schmerz der Wunde riss mich aus meinen Gedanken. Schnell zog ich den Handschuh wieder über. Alanna hatte nichts gesehen, sie hätte mich nur mit gutgemeinten Fragen gelöchert.
Wir verließen das Archiv. Auf dem Weg zur Akademie sahen wir viele aufgebrachte Leute, die wie irr auf alles einschlugen, was ihn in den Weg kam. Unterwegs war es mir noch möglich, Kräuter zu erstehen, die den Schlaf vertreiben. Sollte Lucianus recht haben, konnten wir uns Schlaf in den nächsten Tagen nicht leisten.
Relativ unbehelligt erreicheten wir die Akademie. Sie schien verlassen, und so begaben wir uns auf direktem Weg zur Bibliothek, wo wir die anderen trafen. Sie hatte das gesuchte Dokument gefunden. Hiernach war des "Gast" ein Wesen, dass älter noch als die Götter sei und dass selbst der Namenlose fürchtet. In seiner Art soll es einem Vampir nicht unähnlich sein, nur bei weitem machtvoller und gefährlicher. Es soll unmöglich sein es zu vernichten, nur ein zurückdrängen wäre möglich. Eine Abschrift des Dokumentes habe ich angefertigt. Aus ihr geht auch hervor, dass der Kampf nicht von einem Lebenden geführt werden kann, und dass die Lösung unserer Problemes an dem Tor zum Tode sei... Der Borontempel !
.. Als wir durch das Tor die Akademie verlassen wollten, trafen uns plötzlich Steine. Eine wütende Menge war zusammengekommen und griff die Akademie an. Wie sollten wir ihr entkommen ? Eine Eingebung durchzuckte mich: Ich hatte beobachtet, wie die Menge auf eine neue Art von Gewalt reagierte: Sie ahmte sie nach. Ich zog meinen Kopf ein, rannte aus dem Tor und fing schreiend an, gegen die Mauern der Akademie zu treten. Sofort rannte der Mod auf die Mauern zu und trat ebenfalls dagegen. Sie waren dermaßen abgelenkt, dass ich mich zurückfallen lassen und dem Pulk entkommen konnte. Doch lange hielt die Ablenkung nicht an: Nur kurze Zeit später begannen sie, die Akademie zu stürmen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie sie in Brand setzen oder verwüsteten. Das dort angesammelte Wissen war zu kostbar. Ich wies Lian an, seine Fähigkeit zur Beruhigung von Menschen einzusetzen und tatsächlich zeigte es Wirkung. Die Gebrüll in der Akademie lies nach. Schnell verließen wir diesen Ort und suchten den Borontempel in der Suderstadt auf. Wir schafften es, HESinde sein gepriesen, ohne weitere Probleme dorthin. Im Inneren war es dunkel und still. Selten habe ich Stille als so wohltuend und trotzedem so beklemmend erlebt, wusste ich doch um die Geschehen draußen.
Als sich meine Augen an das wenige Licht gewöhnt hatten, erblickte ich eine junge Boroni. Leise sprach ich sie an. Da sie offensichtlich nicht dem Schweigegelübde unterlag, erzählten wir von unseren Vermutungen, Befürchtungen und Ideen. Zunächst reagierte sie abweisend, lud uns dann aber zu einem Treffen ein, dass eine Stunde vor Mittenacht am Lurevat, einem kleineren Kanal, stattfinden sollte.
Wir kehrten zu "Blauen Phecadi" zurück, wo die Wirtin unruhig wartete. Nachdem wir die letzten Gäste sein, würde sie morgen früh ebenfalls die Stadt verlassen. Wir warnten sie, Wasser aus den Brunnen zu trinken und versuchten, die verbleibenden Stunden -jeder auf seine Art- Ruhe zu finden. Ich suchte mir eine Kammer und verfiel ins Gebet. Ich merkte kaum wie die Zeit verging, doch dann brachen wir auf.
Durch das seltsame Verhalten der Boroni hatte ich die Vorahnung, heute Lucianus zu begegnen. Ich ließ meine Robe in der Kammer und zog mir die grüne Rüstung an, die ich in Brabak erstanden hatte. Um unnötigen Fragen zu entgehen, hüllte ich mich in den Reisemantel, der zwar etwas zu warm war, aber meine Gestallt einigermaßen verhüllte. Diese Vorsichtsmaßnahme sollte sich als nützlich erweisen.
Ohne weitere Zwischenfälle durchquerten wir die verwüstete Stadt und erreichten den Treffpunkt, immer beobachtet vom faulig-grünen Madamal. Ein Boot legte an und ein Boroni, der sich als "Jestra" vorstellte, lud uns ein. Er schiffte uns durch unzählige Kanäle. Irgend wann legte er an eine hohen Mauer an, stieg aus und öffnete einen Geheimgang. Wir folgten ihm. Der Gang endete in einem runden, von Fackeln erhellten Raum, aus dem eine Treppe weiter hinab führte. Hier fragte er uns, ob wir das Grauen wirklich bekämpfen wollten. Natürlich wollten wir das, und ich mehr als alle anderen ! So führte er uns die Stufen hinab in einen weiteren Raum. Dort standen vier weitere Gestallten, allesamt schwarz verhüllt. Doch ich erkannte die junge Boroni aus dem Tempel wieder. Neben ihr stand eine weitere Gestallt, die ein Schlangenhalsband trug, wie ich es einst gehabt hatte. Was war hier los ? Meine Augen fielen auf eine Nische. In ihr stand ein goldener Sarg, dessen Deckel sich langsam öffnete. Dürre Hände schoben den Deckel zur Seite und dann stand die Kreatur vor uns: Lucianus, der Vampir. Wenn ich jetzt handelte, hätten sich die Gefährten vielleicht gegen mich gestellt. Ich musste einen günstigen Zeitpunkt abpassen. Lucianus schaute uns der Reihe nach an und fragte uns, warum wir gekommen wären. Ich konnte ihm nur ein "Um Dich zu vernichten" entgegenspucken. Er versuchte, uns durch falsche Worte zu beeindrucken: Sein Wunsch wäre es zu sterben, doch Boron verweigere ihm den Tod. Er selbst sei bereit, für seine Taten zu büßen. Bei soviel Heuchelei wurde mir schlecht. Ich schlich mich näher an Lian heran und ließ mir den geweihten Dolch aus der Brabaker Akademie geben. Niemand hatte etwas gemerkt... Inzwischen schienen sich die anderen klar zu sein, dass, damit ein mächtiges Boronartefakt aus der Zwischenwelt geholt werden könne, einer von uns sich von dem Wesen beißen lassen müsste. Der "Gast" ließe sich nur damit bannen. Doch dazu müsste einer von uns in die Zwischenwelt, sich von der Kreatur beissen lassen und hoffen, dass er sie nicht zu seinem Gefährten machte.
Lucianus gierigen Augen durchwanderten den Raum und hafteten sich auf mich. Er konnte das Blut in meiner Hand riechen, und ich zeigte ihm bereitwillig die Wunde. Sollte er nur gierig und unvorsichtig werden. Meine beste Chance dich an ihn heranzukommen war, mich als Freiwillige zu melden. Fest packte ich den Dolch und meine Basiliskenzunge unter dem Umhang und trat einen Schritt vor. Ich würde diese Kreatur vernichten, sie würde in die Niederhöllen einkehren, dort wo sie hingehört. Sie hatte recht. Borons Reich sollte ihr für immer verschlossen bleiben.
Doch wieder einmal war es Alanna, die in gutgemeinter Absicht meine Pläne durchkreuzte. Auch sie meldete sich freiwillig und die anderen Narren stimmten ihr zu. Hätte ich jetzt reagiert, hätte ich nicht viele Chancen gehabt. Also ließ ich es zu. Ich trat auf Alanna zu, gab ihr einen Kuß auf die Stirn und umarmte sie. Dabei muss sie wohl die Dolche in meinen Händen gesehen haben, denn sie zuckte kurz zusammen. Hatte sie denn immer noch kein Vertrauen in mich ? Ich segnete sie im Namen der Herrin HESinde, auf dass ihr Geist in der Zwischenwelt klar sei und sie die rechten Pfade gehe. Dann legte sie sich auf das schwarze Leichentuch, dass inzwischen ausgebreitet worden war und der Vampir beugte sich langsam über sie. Ich schob mich nähr. Alannas Körper zitterte. Der Vampir bleckte seine Zähne und biss zu...
Langsam bewegte ich mich in den Rücken Lucianus' . Sobald er sich bewegte und Alanna sich regte, würde er in die Niederhöllen einkehren. Ich war bereit. Doch dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Lian, der mir gerade noch so bereitwillig seinen Dolch gegeben hatte, trat an mich heran und forderte ihn zurück. Was war denn in ihn gefahren ? Ich weigerte mich, und versprach ihm, den Dolch in wenigen Minuten wieder auszuhändigen. Doch er blieb stur. Er fing sogar an, handgreiflich zu werden. Lag es an dem dämonischen Einfluss der Kreatur ? Plötzlich erklangen Schritte von mehreren Personen und leise Ruf erklangen. Nach wenigen Augenblicken sahen wir Talwan mit einer kleinen Gruppe Bannstrahler. Die Boroni und meine Gefährten stellten sich ihnen entgegen. Das war die Gelegenheit, um an Lian vorbeizukommen. Ich drängte vor , hörte Sanfirs Ruf ?Dunkel? und auf einmal wurde es dunkel. Vermutlich hatte Gulmartock einen Dukelheitszauber gewirkt. Ich versuchte erneut an Lian vorbeizukommen, doch er packte mich und schlug wie besessen auf mich ein. Nur Augenblicke später war die Dunkelheit verschwunden. Von dem plötzlichen Licht war ich geblendet. Lian warf mich zu Boden, wobei mir sein Dolch entglitt. Er sprang hinterher. Sollte er ihn doch haben, ich würde den Vampir auch so vernichten können.
Ich rappelte mich auf und hechtete zu Alanna, als ich etwas feuriges aus den Augenwinkeln auf mich zurasen sah. Unglaubliche Hitze und Schmerzen durchfuhren mich, waren mich durch den Raum und raubten mir fast die Sinne. Unter Schmerzen sah ich das flammende Schwert Gulmartocks und sein hämisches Grinsen. Ich ahnte, dass er dass schon immer hatte machen wollen. Wieder entschwanden mir kurz die Sinne. Als ich zu mir kam, waren die Bannstrahler fort und Sadonos hielt mir seinen Stab auf die Brust. Die anderen, allen voran Sanfir beschimpfte mich wüst, nannte mein Handeln unverantwortlich. Herrin, warum begreift er die Lage nicht ? Meine Argumente schienen nicht zu ihm durchzudringen. Während noch mit mir gestritten wurde, erschien in Alannas Hand ein schwarzer Stab. Dann zuckte ihr Körper und sie schlug die Augen auf. Jetzt musste Lucianus getötet werden. Trotz meiner Schmerzen richtete ich mich auf, wurde aber wieder zurückgestoßen. Ruhig erhob sich auch der Untote und konnte unbehelligt den Raum verlassen ! Sie ließen ich freiwillig entkommen ! Hohe Herrin HESinde, wie können sie nur so sorglos sein ? Werde ich es je begreifen ?
Alanna war sehr schwach und außer mir waren auch die anderen Geweihten verwundet worden. Nach dem notdürftigen Versorgen der Wunden und einer magischen Stärkung Alannas begaben wir uns zum Borontempel, wo wir etwas ruhen wollten. Zwar hatten wir nicht viel Zeit, doch Alanna war nicht in dem Zustand, einen Kampf zu führen. Und sie war unsere einzige Waffe gegen den "Gast". In einer dunklen Kammer fielen wir fast sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem wir am Vormittag geweckt wurden.


7 Rahja 24 Hal

Nach einem stärkenden Mahl wollten wir aufbrechen. Thogrim bekam zu meiner Verwunderung noch eine alte Laterne. Es schien sich wahrlich um jenes Artefakt zu handeln, dass vor siebzehn Jahren das Versteck von Letitia verraten hatte.
Etwas leichter ums Herz brachen wir auf. Wir wollten die Suche im Rahjatempel beginnen, denn dort war unser einziger Anhaltspunkt. Die Türen des Tempel standen wie gewohnt offen. Wir traten ein und sahen nur Verwüstung. Der Mob hatte selbst vor Tempeln nicht halt gemacht. Und dann fand ich Phalinor. Ihm war der Schädel eingeschlagen worden. Und obwohl es warm war, wurde mir furchtbar kalt. Der einzige Mensch, bei dem ich mich seit Jahren sicher gefühlt hatte, der mich als Frau sah und keine Erwartungen an mich gehabt hatte war tot. Vermutlich war er umgekommen, während wir wohl behütet im Borontempel schliefen. Ich hätte es verhindern können. Ich hatte doch noch Kräuter, die den Schlaf vertreiben. Ich hatte geahnt, dass es hier gefährlich sein konnte, und doch war ich nicht da gewesen. Muss denn alles im Leben schief laufen ? Menschen, die mir wichtig sind sterben, weil ich schlafen möchte. Ich schließe Pakte mit Dämonen und lasse Vampire ruhig ihr Unwesen treiben. Herrin, warum ist das Schicksal so grausam zu mir? Duldest Du es nicht, dass ich neben Dir auch jemanden auf Dere habe ? Habe ich Deine Gebote missachtet ?
Ich hüllte Pahlinors Körper in rotes Tuch und betete für seine Seele. Mehr konnte ich im Moment nicht tun. Die Zeit lief uns davon und der ?Gast?, der Mörder von Phalinor musste bekämpft werden.
In der Zwischenzeit hatten die anderen den Tempel untersucht aber keinen Hinweis auf einen geheimen Eingang gefunden. Schließlich schlug ich vor, dem Tempel zu verdunkeln und die Laterne zu entzünden. Vielleicht konnte ihr Schein etwas enthüllen, das unseren Augen vorenthalten geblieben war. Kaum hatte Sanfir die Laterne entzündet und leuchtet umher, als sie zu schwanken anfing als würde jemand an ihr ziehen. Wir beschlossen in die Richtung zu gehen, in die sie scheinbar gezogen wurde.
Der Weg führte uns durch quer durch Grangor. Nur wenige Menschen waren zu sehen und so kamen wir ohne Probleme voran. Schließlich erreichten wir eine Kanal. Der Weg schien nur auf dem Wasser fortzusetzen zu sein. Nachdem ich mit Thogrim zusammen ein Boot organisiert hatte -ich bin immer noch verwundert über die Bereitwilligkeit, mit der er in das Boot sprang- setzten wir unseren Weg fort. Lian ruderte uns und die Laterne führte uns aus Gangor hinaus. Nebel stieg auf und bald konnten wir keine zwei Schritt mehr weit blicken. Wir verloren schnell die Orientierung und ließen uns einfach führen. In dieser Zeit gingen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf. Einer davon befasste sich mit dem Schlangenhalsband. Gerade als ich daran dachte, schien es zum Leben zu erwachen! Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf und ich konnte durch meine Gedanken mit ihm reden. Es war das Erbe Eschin vom Quell. Es sprach mich mit Herrin an und ich war froh, es aktivieret zu haben. Es würde uns zwar nicht im Kampf helfen können, aber meine Zuversicht wuchs trotzdem.
Es dauerte über eine Stunde, bis wir auf eine Mauer stießen. In dieser Mauer war eine eiserne Tür eingelassen. Sanfir versuchte sie zu öffnen. Es schien ihm nicht richtig zu gelingen. Dann holte er das Artefakt hervor, dass wir einst in der Höhle in Weiden gefunden hatte. Er setzte es an die Tür und tatsächlich wurde der Ringzwischenraum dunkel. Nun steckte er den Arm hindurch und holte eine Schlüssel hervor, mit dem er die Tür öffnen konnte. Wir vertäuten das Boot und betraten einen dunklen Gang. Er war ganz aus Stein und führte in mehreren Windungen hinab. An den Wänden waren Gemälde mit steinernen Rahmen. Der erste Rahmen war leer, doch im zweiten war das Portrait einer Frau zu sehen. Es schien Letitia von Berlen zu sein. Im Hintergrund war Grangor zu erkennen. Gulmartock schnitt es aus dem Rahmen und steckte es ein. In den folgenden Rahmen waren andere Personen, im Hintergrund war aber jeweils die Stadt Grangor zu erkennen. Die Bilder musste Jahrhunderte hier hängen, denn die Farben waren fast nicht mehr zu erkennen und die Stadt schien von Bild zu Bild immer kleiner zu werden.
Schließlich ereichten wir einen Raum, der mit purpurnen Vorhängen behangen war. In ihm stand eine große Tafel, die bereits gedeckt war. Alle Stühle hatten Initialen und die an den Kopfenden waren mit "T v B" und "D v B" bezeichnet. Tarvian und Daria ! Wir hatten ihren Unterschlupf gefunden. Doch wo waren sie ? Sanfir entdeckte, dass hinter einigen Wandbehängen der Raum weiterging. Im Süden führte er in einen Raum, in dem sich ein Versuchs- oder Foltertisch und passende Instrumente befanden. Im Westen befand sich eine Küche. Als wir diese gerade wieder verlassen wollten, hörten wir Geräusche. Etwas großes schien sich durch den Gang hinunterzubewegen. Alanna sprang auf Travians Stuhl und hielt den Boronsstab kampfbereit. Je nähr das Geräusch kam, desto kälter wurde es. Das Wesen musste direkt aus den Niederhöllen kommen. Die Flammen unserer Laternen verlöschten, und selbst Sadonos' Stab gab kein Licht mehr von sich. Wir standen in völliger Dunkleheit. Dann hörten wir es krachen. Die Kreatur musste in unserem Raum sein ! Ich bedeutete Gulmartock, einen Dämonenbannung vorzubereiten und stellte mich schützend in Alannas Nähe. Ganz unvermittelt war das Geräusch weg. Wir warteten einen Augenblick doch alles blieb ruhig.. Schließlich wagten wir es, Licht zu machen. Auf einem der Vorhänge an der Nordwand war ein schwarzer Schatten zu erkennen. Wir entdeckten, dass die das Wesen scheinbar durch den Vorhang gegangen war. Wir bildeten zwei Gruppen, folgten ihm und trafen auf einem Raum mit drei Türen. Die linke hatte eine ähnliche Verfärbung wie der Vorhang. Hier schien der Dämon zu sein. Zu allem bereit öffneten wir die Tür. Doch der Raum dahinter barg nur ein Bett und war ansonsten leer.
Was dann geschah war typisch für Gulmartock. Im Alleingang hatte er dir rechte Tür geöffnet. Ein Wesen ohne feste Konturen stürzte heraus, warf ihn um und floh aus dem Raum. Alanna rannte hinterher, schlug aus es ein, verlor aber ihr Waffe dabei. Bis sie sie wieder geholt hatte war der Feind entkommen. Wir beschlossen, den Rest des Gewölbes genauestens zu untersuchen, konnten aber auch nach einer eine Stunde dauernden Untersuchung keine weiteren Hinweise auf Travian finden.
So kehrten wir zum Boot zurück und ruderten nach Grangor zurück. Dort hofften wir, den Gast stellen zu können. Wir legten in einem Außenbezirk an. Hier musst auch der Dämon entlanggekommen sein, denn wir trafen auf entsetzlich zerrissene Leichen. Dieser makaberen Spur folgten wir bis zum Zentrum von Grangor. Hier hatten sich viele Bürger versammelt. Was auf den ersten Blick wie eine Feier aussah, war viel unheimlicher und gefährlicher. Alle trugen Masken und viele tobten und schlugen sich. Wir bildeten eine keilförmige Formation und stießen durch die Mengen. Dabei schafften wir es, drei Leute der Zweililinewache vor dem Mob zu retten. Und dann entdeckte Alanna etwas. Sie änderte unvermittelt die Richtung und stürmte vor. Unsere Formation riss auf. Alanna riß ihren Stab in die Höhe und schlug auf eine verhüllte Person ein. Dann geschah unglaubliches: Die Gestallt riss auf, wuchs und verströmte etwas, dass ich nur als ?dunkles Licht? bezeichnen kann. Sie drehte sich um und aus konturloser Schwärze starrte uns der ?Gast? genannte Dämon an. Sie war wahrlich furchtbar. Gegen solch einen Dämon konnte Alanna nicht alleine bestehen.
Über das was dann geschah bin ich mir heute noch nicht ganz sicher. Ich trat neben die Freifrau und wollte die Kreatur bannen. ?Im Namen der Herrin Rondra und ihrer Geschwister. Unheilige Kreatur der Niederhöllen, sein gebannt im Namen der Götter !? schleuderte ich ihr, all meine Hoffnung, meinen Glauben und meine Verachtung ihr gegenüber sammelt entgegen. Ein unglaubliches, nie gekanntes Gefühl von Macht und Wissen durchfuhr mich. Wir würden diese Kreatur besiegen. Doch im selben Augenblick durchflutet mich im gleichen Maße Panik und Angst. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Als ich wieder einigermaßen zu mir kam, war alles vorbei. Alanna hat mit Hilfe von Bannstrahlern die Kreatur vernichtet und zusätzlich Tarvian erschlagen. Er war das letzte Opfer, dass der Gast angegriffen hatte. Welch eine Ironie, selbst im Tod schien er alles geplant zu haben, denn Alanna fand einen Abschiedsbrief.
Ich brauchte mehrere Tage um wieder zu mir zu kommen.

[Fortsetzung folgt]




 -nach oben-